Portugiesischer Filigranschmuck
Die Filigrantechnik beruht auf der Verwendung von feinsten Gold-oder Silberfäden, die vom Goldschmied kunstvoll gewickelt und in Ornamenten verlötet werden.
Manche Schmuckstücke werden mit Emaille und Schmucksteinen kombiniert.
Verwendbar ist Silberdraht, Draht aus 585-Rotgold und aus 750-Gelbgold, alles Edelmetallslegierungen, die besonders
dehnfähig sind und zur Filigranarbeit verwendet werden können.
Nach dem Schmelzens des Goldes oder Silbers wird das Edelmetall in eine "rilheira" gegossen, so dass sie in Form von
Barren zur Weiterverarbeitung bereitsteht. Mit speziellen Maschinen werden mittels Zylindern dann die Goldfäden auf die gewünschte Stärke gezogen.
Anschließend werden die Drähte je nach gewünschtem Muster zu unterschiedlich
großen Röllchen fest oder locker aufgerollt und in die vorher aus ebenfalls Gold oder Silber gefertigten Rahmenstrukturen der Schmuckstücke eingepasst.
Unzählige akkurat ausgeführte Lötungen sind notwendig, um die vielen kleine Einzelkomponenten zu einem kunstvollen Anhänger oder Ohrring zusammenzufügen,
der dann später seine Besitzerin Stolz und Freude empfinden lässt.
Der Ursprung der Filigrankunst ist nicht sicher festzustellen, wohl wissend, dass sie den Chinesen und Indern,
sowie den klassischen Zivilisationen des Mittelmeerraums, den Griechen und Römern bekannt war.
Filigrane kunstvoll gearbeitete Schmuckstücke wurden schon bei der Ausgrabung von Troja gefunden.
Es wird angenommen, dass schon in der vorrömischen keltischen Epoche Kenntnis der Filigran-Technik bestand.
Im Mittelalter, als im italienischen Genua die Blüte der Filigrankunst erreicht war, gelangten einzelne Stücke nach Portugal, was erklärt, dass man hier ebenfalls
die Filigrankunst erlernte.
Foto: Jsome1
Allerdings entwickelte sich die Kunst vom portugiesischen Filigranschmuck im Wesentlichen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, wie man an erhaltenen
Schreinen, Kreuzen und Schmuckstücken wie Ringen oder Ohrringen sehen kann.
Vor allem im Norden Portugals, im Minho, wird die Kunst der Filigrantechnik heute noch in kleinen Familienbetrieben betrieben, die sich
in Gondomar, in Braga und in Póvoa de Lanhoso, insbesondere in der "Village of Gold" von Travassos angesiedelt haben.
Die Schmuckstücke werden noch heute bei festlichen Anlässen, derer es viele in dieser Region gibt, von den Minho-Frauen zusammen mit ihren prunkvollen
Trachten getragen.
So werden
Ohrringe und Ringe von Viana, die Ohrringe der Königin, die Herzen und filigranen Medaillons, Kreuze und Halsketten besonders geschätzt.
Festlichkeiten Viana do Castelo
Mehr als 400 Frauen sind jedes Jahr beim Beginn der Festlichkeiten
Romaria d′Agonia in Viana do
Castelo unterwegs und tragen dabei geschätzte stolze 14 Millionen Euro an Gold um den Hals, wie
Goldschmied Manuel Freitas kürzlich errechnete. Jede Frau trägt dabei zwischen 1 und 2.5 kg kunstvoll
verarbeitetes Gold traditionell als Zeichen von ihrem sozialen Status wie Ohrringe, Anhänger, Medaillons, filigrane Herzen bis zu meterlangen Goldketten.
Es gibt sogar Frauen, die bis zu 5 kg Goldschmuck
ihr eigen nennen.
Man kann sagen, dass dieser Umzug weltweit das "größte Schaufenster an filigranem Goldschmuck" darstellt.
Freitas ist der anerkannteste Goldschmied von Viana do Castelo, er gründete 2007 ein
historisches Schmuckmuseum, siehe:
http://www.museudaourivesaria.com. Nachdem es im gleichen Jahr im September ausgeraubt wurde (dabei wurde einer der Räuber von der Polzei erschossen), vermachte er die verbliebenen Stücke der Stadt.
Die Festlichkeiten der « Romaria d'Agonia » ziehen sich bis zum 20. August hin, dem offiziellen Feiertag der Stadt Viana do Castelo.
Goldschmuck der Minho-Region
Der filigrane Gold-und Silberschmuck diente viele Jahrhunderte lang in der
Minho-Region und im Douro-Literal als soziales Barometer und war unverzichtbares
Statussymbol. Wer sich viele dieser Schmuckstücke leisten konnte, stellte dementsprechend auch etwas in der Gesellschaft dar.
Auch heute noch behängen sich die Frauen im Minho, wenn sie Tracht tragen, vor allem bei den jährlich stattfindenden Prozessionen
mit Unmengen von Goldschmuck: meterlange Goldketten, Ohrringe und Ketten mit den verschiedensten Anhängern.
Foto: Jsome1
Goldschmiedearbeiten
Die Goldschmiedearbeiten von Viana do Castelo, Travaços, Sobradelo da Goma
(Póvoa de Lanhoso) und Gondomar: Armreifen, Ohrringe, dreifach umgelegte Ketten mit Anhängern
dienen als Schmuck, Amulette, Glücksbringer und sind Ausdruck ihres sozialen Status.
Butões
Dieses Schmuckstück wurde dem Mädchen traditionell bei Geburt von der Taufpatin geschenkt.
Verstarb das Kind, wurden die Butões (kleine Ohrringe) verkauft und damit ein Totenkleid erworben, welches
es "in den Himmel" begleiten sollte. Überlebte das Kind, schenkte die Patin im Laufe der Jahre weitere Butões, die
dann gegen ein Paar sehr wertvoller
Königinnen-Ohrringe eingetauscht wurden.
http://www.art-argentum.com/loja_online/filigrana/brincos_rainha.html
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_brincos_botoes.htm
Goldketten Colares de Contas - Kugelkette
Diese traditionellen Kugelketten wurden in ihrer Form bereits im 3. Jh. v. Ch. getragen.
Aus dieser Zeit stammt ein Fund aus purem Gold, den man in Sintra gemacht hat.
Die Goldketten, welche sich die Minhofrauen umhängen, ähneln in ihrer Gestaltung dem Schmuck der Phönizier und Etrusker.
Die Ketten bestehen aus filigran gearbeiteten Goldkugeln.
So wird im Laufe der Jahre von der Frau Goldkugel für Goldkugel erworben,
bis sie die Kette zusammenfügen und tragen kann. Die Ketten waren ursprünglich aus Baumwolle und nicht in Gold gefertigt und
in den Farben rot, gelb oder blau gehalten.
Dann kam die Mode auf, Gold zu verwenden.
Der Verschluss, ein Ponpon, besteht auch an der Goldkette weiterhin aus Baumwolle.
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_colares_contas.htm
Ohrringe - Arrecadas de Viana
In der Region Viena de Castelo bestand die Auffassung, wenn eine Frau keine Ohrringe besaß,
sie in absoluter Not und gesellschaftlicher Misere lebte.
Denn selbst bitterarme Mädchen strengten sich an und verkauften landwirtschaftliche Erzeugnisse, nur um sich den Schmuck leisten zu können.
Sie taten nichts anderes, als eisern zu sparen.
Sah man dennoch eine Frau ohne Gold an den Ohren, wusste man, dass es ein religiöses Gelübde war, ein freiwilliger Verzicht,
der bis zu einem Jahr andauern konnte.
Waren die Ohrringe zur Säuberung oder zur Reparatur beim Goldschmied, musste die Frau jederman von
"entzündeten Ohren" erzählen, damit sie gesellschaftlich in kein schlechtes Licht geriet.
Die filigran gearbeiteten Ohrringe unterscheidet man durch besondere Formen wie "bambolina" oder "pelicano".
Dieser traditionelle Goldschmuck ist bis heute der einzige überlieferte Fall, bei dem Frauen der reichen privilegierten Oberschicht
die Schmuckstücke vom einfachen Volk abgekupfert haben und sie gleich den armen Frauen trugen.
Foto: museudaourivesaria.com
Custódia (religiöser Anhänger)
Diese Anhänger sind in der Mitte mit einem religiösen Symbol verziert. Sie werden in Portugal auch "Brasileiras" genannt,
denn wenn der Ehemann nach Brasilien emigriert war und wieder heimkehrte, musste er seiner Frau,
egal wie hoch der Preis war, ein filigran gearbeitetes Schmuckstück mitbringen.
Die Frau trug es dann stolz und sichtbar zur Sonntagsmesse.
Die Bevölkerung raunte dann hinter vorgehaltener Hand: "Schaut die Brasileira" und wusste, dass der Mann in Brasilien erfolgreich gewesen sein muss.
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_custodias.htm
Peças (Münzen-Anhänger)
Diese goldenen Anhänger in Form einer Medaille wurden kunstvoll eingefasst, um sie nicht durch Löcher zu verschandeln.
Meist wurden mit Vorliebe Münzen verwendet, so beispielsweise mit dem Konterfei der Königin Viktoria.
Darstellungen von Königen gibt es ebenfalls, wurden jedoch von den Frauen aus dem Minho nicht besonders geschätzt.
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_pecas.htm
Memorias (Medaillon)
Dieses spezielle Medaillon-Schmuckstück, ein Anhänger, erfüllte die Funktion eines Andenkens.
Im Inneren befand sich eine Haarlocke, eine Kleiderfaser, ein kleines Schriftstück mit einem Gebet, ein Foto oder ähnliches.
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_memorias.htm
Filigrane Herzen
Die filigranen goldenen Herzen sieht man heute vermehrt bei
den Minho-Frauen. Früher war das nicht der Fall, denn dieses Schmuckstück
erfordert viele Stunden kunstvoller Handarbeit und war damit sehr teuer und nicht erschwinglich
für Frauen aus einfachen Verhältnissen.
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_coracoes.htm
Cordão - 2 Meter lange Ketten
Diese bis zu 2.20 Meter langen Ketten werden drei-oder viermal, je nach Länge um den Hals
geschlungen getragen. Diese Kette war nach traditionellen Vorstellungen der 3. Goldschmuck, den
ein Mädchen im Laufe der Zeit erwerben musste. Erstes Schmuckstück waren immer die "Butões", gefolgt von der Kugelkette "colar de contas".
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_cordoes.htm
Trancelim - Kette
Erst nach dem Erwerb der dritten oder vierten Goldkette, Cordão genannt, wurde die
Kette Trancelim angeschafft. Sie ist eine Goldkette in gleicher Länge, wie die
Kette Cordão. Der Unterschied besteht darin, dass die Trancelim nicht
in einfacher Form gearbeitet ist, sondern aus verschiedenen geabeiteten filigranen Kettengliedern besteht.
http://www.museudaourivesaria.com/pecas_trancelins.htm
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Fotos: Jsome1, Rosino